
Von den Anfängen …
Am 25. Mai 1658 wurde der Grundstein für die Alte Johanneskirche in der Mitte der Stadt gelegt. Wie kam es zum Bau der Kirche – nur wenige Schritte entfernt von der 1234 errichteten heutigen Marienkirche?
Sehr früh wurde in Hanau die Reformation eingeführt. Schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts predigte in der einzigen Altstadtkirche – der Marienkirche – ein evangelischer Pfarrer. Damals bestimmte der Landesherr das Bekenntnis seiner Untertanen. Da die bis Mitte des 17. Jahrhunderts regierenden Grafen von Hanau-Münzenberg reformiert waren, waren es auch die Bewohner. Sie orientierten sich in ihrem Bekenntnis eher an den Reformatoren Calvin und Zwingli. 1642 kamen die Grafen von Hanau-Lichtenberg zum Zuge. Sie waren lutherisch geprägt, hielten sich in ihrem Bekenntnis an die Reformatoren Luther und Melanchthon. Aber sie durften die Reformierten nicht verdrängen. So war es schon unter Philipp Ludwig II., dem Gründer der Neustadt, bestimmt worden. Unter dem neuen lutherischen Grafen Friedrich Kasimir von Hanau-Lichtenberg wuchs die Zahl der Lutheraner in der Bevölkerung, und man beschloss den Bau einer eigenen lutherischen Kirche.
Der Termin für die Grundsteinlegung, der 25.Mai 1658, war im Hinblick auf die damals in Frankfurt stattfindende Kaiserwahl gelegt worden. Denn an dieser Wahl nahm auch der Kurfürst Johann Georg II von Sachsen teil, der als Schirmherr der lutherischen Kirchen in Deutschland galt. Am 17. Januar 1664 fand die Einweihung statt. Bauliche Veränderungen kamen bald: Der ursprüngliche Dachreiterturm war in sich zusammengebrochen und musste schon 1691 ersetzt werden. Weil die lutherische Gemeinde wuchs, vergrößerte man 1727-1729 die Kirche noch einmal.
Vom Miteinander in der Stadt … »gewöhnliches Waizenbrod brechen«
Das Nebeneinander von reformierter und lutherischer Kirche endete 1818 in der sogenannten »Hanauer Union«. Wichtiges Zeichen der Einheit war die Abendmahlsgemeinschaft.
Man entschied auf einer Synode im Mai in der Hohen Landesschule:
I. »Beide protestantischen Regionstheile im Fürstenthum Hanau ... vereinigen sich von nun an zu einer einzigen Kirche, unter dem Namen der evangelisch-christlichen.
II. Die Namen lutherisch und reformirt fallen daher künftig überall hinweg und es werden … andere passende Namen gewählt…
IV. Da, wo mehrere evangelische Kirchen an einem Orte sind, bleiben fürs erste die Mitglieder einer jeden nach wie vor bei ihrer Kirche.
V. Bei der Feier des heiligen Abendmahles wird künftig in der vereinten evangelischen Kirche gewöhnliches Waizenbrod, ohne Sauerteig in der Form länglicher Vierecke genommen und dasselbe gebrochen. …«
(Julius Martiny, Hanauer Union seit 1818, in: Marienkirche Hanau, Festschrift 1984, S. 63)
Von jetzt an heißt die ehemals reformierte Kirche »Marienkirche« und die lutherische Kirche »Johanneskirche« (nach Kurfürst Johann Georg II von Sachsen).
Von der Zerstörung … »aus der Hölle des Krieges heimgekehrt«
Annähernd 300 Jahre diente die Johanneskirche der Gemeinde als Gotteshaus.
Sie fiel den Angriffen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ebenso zum Opfer wie annährend 90 % des alten Hanau. Schon Fliegerangriffe im Dezember 1944 und Januar 1945 richteten schwere Schäden an und machten die Gestaltung von Gottesdiensten in der Johanneskirche unmöglich. In der Nacht des 19. März 1945 blieb nach den Angriffen der Kirchturm nur noch als Torso stehen. Von den Umfassungsmauern blieben nur Teile erhalten. Die dicht um die Kirche stehenden Häuser waren vernichtet.
In der zerstörten Stadt versammelten sich Menschen in Privatwohnungen bis es im August 1946 zur Einweihung einer Notkapelle im Schlosspark, einem Geschenk des Weltkirchenrates, kam.
»Es waren bewegende Stunden, die wir dort als Teilnehmer der Gottesdienste und Zuhörer der insbesondere von Herrn Pfarrer Scheig gestalteten Abendveranstaltungen verbrachten. Uns damals Jüngeren, die im Dritten Reich groß geworden und aus der Hölle des Krieges heimgekehrt waren, erschloss sich eine neue Welt. Moderne Theologie und die Werke bislang verfemter Dichter wie Thomas Manns Dr. Faustus und Hermann Hesses Glasperlenspiel wurden uns in geistig anspruchsvoller Weise vermittelt, und wir waren – nicht nur physisch, sondern auch intellektuell ausgehungert – aufnahmebereite und dankbare Zuhörer.«
(Ernst Weigand, Evangelische Kirche in Hanau, Pfingsten 1985)
Die alte Johanneskirche wurde verändert wiederaufgebaut (Planung: Architekt Doll aus Hanau) und im Dezember 1956 als übergemeindliches Gemeindezentrum eingeweiht. Im Untergeschoss entstanden Gemeinderäume und das Obergeschoss diente als Gottesdienstraum.
Vom Neubau … »in einem Widerstreit der Meinungen«
Der Krieg hatte kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Menschen drängten Hanau – auch viele geflüchtete Deutsche aus den ehemals östlichen Reichsgebieten. Ganz neue Wohngebiete entstanden im Osten, im sogenannten »Lamboygebiet«, aber auch im Westen der Stadt.
Die neuen Lebensverhältnisse riefen nach Veränderungen auch in den Strukturen der Kirchengemeinden. Im Osten der bisherigen Johanneskirchengemeinde entstand die Kreuzkirchengemeinde. Im Westen erhielt die Johanneskirchengemeinde von der bisherigen Friedenskirchengemeinde das »Musikerviertel«.
Der Mittelpunkt der Gemeinde war nun noch deutlicher in den Westen der Stadt gerückt. Sollte die Johanneskirche tatsächlich am Rand ihres Gemeindegebietes, in unmittelbarer Nähe der Friedenskirche als Kirchengebäude wieder errichtet werden.
Die damals Verantwortlichen entschieden sich für einen Neubau. Man wollte in zentraler Lage einen Mittelpunkt für Gemeindeglieder schaffen. Zum Architektenwettbewerb wurden fünf Entwürfe eingereicht und ein Gutachterausschuss unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Bartning (damaliger Vorsitzender des Vereins deutscher Architekten, Darmstadt) entschied sich für den Entwurf von Baurat Otto Vogel aus Trier. (Ebenfalls beworben hatten sich: O. Gulbransson, G. Langmaak, D. Boniver, H. Hentrich.)
Der von ihm geplante an der Straße stehende Turm sollte Vorbeifahrenden Zeichen und Mahnung sein und der zurückgesetzte Kirchbau zur Ruhe und Einkehr einladen. Große Mühe machte den Verantwortlichen die Gestaltung des Innenraumes. In der Gemeinde hat er von Anfang an Zustimmung und auch einigen Widerstand ausgelöst. Der damalige Pfarrer Scheig dazu in seiner Predigt zum Richtfest am 11. Mai 1958:
»Ich kann nur nochmals sagen, dass viele zuerst den Kopf geschüttelt haben, weil sie von traditionsgebundener Konservativität ausgegangen sind und aus ihrer Vorstellung von der Gestalt einer Kirche sagen: ›So sieht keine Kirche aus‹. …
Wir wollten … keine Kathedrale nach alten kirchlichen Stilarten, wir wollten auch … kein übermodernes Kirchengebäude … Wir waren für einen ›gläubigen Realismus‹ und meinten in der Einfachheit, Schlichtheit, Ehrlichkeit, ja der Strenge der Form zugleich der Echtheit des Materials einen Kirchbau hinstellen zu lassen, der den Charakter der evangelischen Verkündigung widerspiegelt. Kein strahlender Glanz, sondern ein Raum, der dem ›unbehausten Menschen‹ unserer Zeit Stille und Behaustheit vermittelt.«
Die »Neue Johanneskirche« ist nun nicht mehr nach einem Landesfürsten benannt. Sie erhält ihren Namen von Johannes, dem Vorläufer Jesu Christi nach dem Neuen Testament.»
Wir stehen heute wie Johannes in einem ›Widerstreit der Meinungen‹ und Anschauungen. Was an uns liegt, ist nicht viel. Aber Deuter, Wegbereiter für Christus sein, das möchten wir mit dem Johannes das seinen Namen von diesem Mann bekommen hat, das soll hinausgehen in unsere Gemeinde, hinaus zu Welt und Menschen.« (Pfarrer Scheig am 17. Januar 1960, dem Tag der Einweihung der neuen Kirche.)
Im Jahr 1998 wurde der Innenraum umgestaltet und die Bänke sind inzwischen durch Stühle ersetzt. Diese Veränderung ermöglicht nun eine vielfältige Nutzung des Raumes.
So sind seit 1999 im Rahmen des Projektes »Kunst in der Kirche« regelmäßig Ausstellungen zu sehen.